Die Stunde zwischen Frau und Gitarre : Roman

Setz, Clemens J., 2015
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Medienart Buch
ISBN 978-3-518-42495-7
Verfasser Setz, Clemens J. Wikipedia
Systematik BLR - Liebesroman
Schlagworte Macht, Liebe, Wahnsinn, Orientierung, Manipulation, Rache, Täter, Opfer, Stalker, Besessenheit, Fürsorge, Sinnsuche, Unterwerfung
Verlag Suhrkamp
Ort Berlin
Jahr 2015
Umfang 1019 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Auflage
Sprache deutsch
Verfasserangabe Clemens J. Setz
Annotation Paranoide Gedankenschübe einer Pflegerin zwischen Wahn und Wirklichkeit. (DR)
Ein Psychothriller: das 1018 Seiten umfassende Buch des österreichischen Autors Clemens J. Setz. Ein Heim für Betreutes Wohnen wird unter die Lupe genommen. Verwicklungen der Figuren aufgeblättert. Und mittendrin die 21-jährige Natalie, eine Pflegerin. Ihr Leben plätschert dahin. Alles scheint in bester Ordnung, bis zu dem Tag, als sie ihren Dienst als Betreuerin für den Bewohner Herrn Dorn antritt. Der Rollstuhlfahrer scheint sich nicht an sie zu gewöhnen. Und plötzlich taucht da ein Besucher auf: Ausgerechnet der Mann, dessen Frau Opfer einer Stalkinggeschichte wurde. Dass punktgenau zu diesem Zeitpunkt Natalies Epilepsieanfälle aus Kindertagen in Erinnerung gerufen werden, ist ihr unerklärlich. Farben und paranoide Gedankenschübe zerbröseln ihre Gewohnheiten. Während Natalie versucht, das merkwürdige Verhalten des Besuchers zu entschlüsseln, wird ihr Alltag diktiert von den Empfehlungen ihres iPhones und von Fernsehshows. Wer steuert hier wen? Wer beobachtet wen und warum? Am Ende lauern wir den Beobachtungen der Beobachterin auf. Ein Buch: herausfordernd, spannend, provokant. Anspruchsvollen LeserInnen empfohlen.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Kluge Titel evozieren die ganze Welt durch einen idealen Sehschlitz. Die Stunde zwischen Frau und Gitarre ist vielleicht ein Stillleben, das zu einem Wimmelbild ausgeufert ist.
Clemens Setz lässt mit seinem tausendseitigen Roman nie einen Zweifel aufkommen: Jeder Satz dieses Mammutwerkes ist notwendig, um auch wirklich halbwegs alles auszuspucken, was sich in der Hauptfigur über eine gefühlte Ewigkeit hin täglich ansammelt und von früher her aufgestaut hat.
Die Heldin Natalie fährt zu Beginn einem Heißluftballon nach, wie man in der Kindheit am Schluss eines Kinderbuches in die Welt hinaussegelt. Sie hat gerade das Diplom zur Behindertenbetreuung absolviert und macht sich auf den Weg in die Arbeitswelt. In einer Villa, die halb aus einem Wohnheim und halb aus Trainingswohnungen zur Resozialisierung besteht, wird sie einen 66,6 % Posten als Bezugsbetreuerin antreten.
Natalie arbeitet ihre Mission ähnlich cool und kindlich ab, wie es Peter Handkes "Linkshändige Frau" (1976) für die Literaturgeschichte vorgemacht hat. Auf dem Weg zur Arbeit sammelt sie Laute, den Objekten gibt sie neue Vornamen (51), imaginierte Tiere auf der Schulter helfen gegen Verspannungen, die Empfindungen werden in Einzelteile zerlegt, begutachtet und gereinigt wieder zusammengesetzt.
So verkehrt Natalie regelmäßig als Chat-Avatar, sie kann auch die Gestalt eines Kugeltieres annehmen, um ihre Erlebnisse zu verdichten, dann wieder streunt sie in goldenen Nächten durch das Nachtleben und befriedigt Männer, die einen Hauch Urin zurücklassen.
In der Arbeit gilt es ständig Geschichten abzuarbeiten, welche die Klienten Tag und Nacht vor dem Personal ausbreiten. Das Personal seinerseits hilft sich durch permanente Supervisionsgespräche, so dass mit der Zeit ein dichtes Netz an Schicksalen, psychischen Abenteuern und grenzwissenschaftlichen Maßnahmen entsteht. Eine Haupt-Schicksalskette bilden der Rollstuhlfahrer Dorm und sein ständiger Besucher Hollberg, beide sind irgendwie auf Leben und Tod miteinander verschweißt, zumal der eine die Frau des anderen in den Suizid getrieben haben soll.
Diese kaum durschaubare Verknüpfung von scheinbar losen Einzelteilen ist vielleicht das Generalthema dieses großen Romans. Wie ein Fußballmatch ist er in der Mitte geteilt, es gibt eine erste und zweite Halbzeit, mehr lässt sich nicht gliedern. Die einzelnen Szenen sind nach Gesprächsinhalten, Personen und Tieren benannt. Und wie das alles zusammenhängt, zeigt vielleicht der seltsame Titel "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre". Angeblich hat die Suizid-Frau in einem Brief die Wörter Frau und Gitarre (167) hinterlassen, was vielleicht die Ursache für den Suizid gewesen ist. Später in der Analyse sagt jemand, dass es Frauen mit Sanduhr-Figur und solche mit Gitarren-Figur gibt. Die Todesursache wäre dann vielleicht ein psychisches Gewichtsproblem?
Das ist das Schöne an Clemens Setz's Roman, dass das Unwahrscheinlichste das Richtige sein kann. Der Leser wird aufs Glatteis geführt, und wenn er vorsichtig wird, stellt sich heraus, dass alles einen festen Boden unter sich hat, weil es so genau erzählt ist. - Märchenhaft realistisch.
Helmuth Schönauer

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